Die Coronakrise hat uns alle eiskalt erwischt. Während des besten Frühsommerwetters waren Spielplätze in Deutschland verwaist, Absperrungen und Warnhinweise erbarmungslose Realität. Wie haben Verantwortliche für städtische Grünanlagen die Einschränkungen empfunden? Was sind die Auswirkungen und was lernen wir aus Corona – wenn überhaupt?
Der Bundesverband für Freiraumgestaltung (BFG) hat bei Städten und Gemeinden nachgefragt und erkennt die Wichtigkeit, öffentliche Freiräume mit in die geplanten Konjunkturpakete einzubeziehen.
Gut besuchte Spielplätze sind kommunale Aushängeschilder. Signalisieren sie doch Familienfreundlichkeit, Attraktivität einer Stadt, Gemeinschaftlichkeit, Solidarität und Begegnung. Für Kinder ist der Spielplatz wichtig für die physische und psychische Entwicklung – hier lernen sie ihre Kräfte kennen, entwickeln motorische sowie kognitive Fähigkeiten und bilden spielerisch neue Gemeinschaften. Was bleibt, wenn für fast drei Monate Spielflächen geschlossen werden und Begegnungsräume verwaisen? Eine aktuelle Umfrage des Bundesverbands für Freiraum-Gestaltung e.V. unter 40 Städten und Gemeinden quer durch Deutschland hat ergeben, dass die anfänglich große Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger gegenüber den Schließungen in nahezu allen Fällen fortbesteht. „Insbesondere der Lockdown hat gezeigt, wie elementar wichtig das Zusammentreffen im öffentlichen Raum ist“, bestätigt Thomas Beyer vom Fachdienst Gartenbau der Stadt Wunstorf. „Gerade durch die Isolierung z.T. in den eigenen vier Wänden war das Bedürfnis danach ‚heraus zu kommen und sich mit Freunden zu treffen‘ sehr hoch.“ Die Umfrage des BFG belegt dies: Zwölf der befragten Gemeinden gaben eine verstärkte Nutzung der Spielflächen seit der Wiedereröffnung an, bei neun habe sich das Nutzungsverhalten nach einer anfänglichen Verstärkung normalisiert. Vier Gemeinden bemerken ein zunehmend umsichtiges Verhalten der Bürgerinnen und Bürger und weitere vier beklagen eine stärkere Vermüllung der öffentlichen Freiflächen. Diese sei unter anderem auch auf die vermehrte Nutzung von Einwegmasken zurückzuführen.
Dauerbrenner Müll
Dass geänderte Nutzungsverhalten seitens der Bürgerinnen und Bürger, Kinder, Jugendlicher sowie von Besucherinnen und Besuchern nicht immer nur Vorteile mit sich bringen, zeigt die Umfrage des BFG sehr deutlich. Bereits vor der Schließung der Spiel- und Freiflächen reflektierten Verantwortliche aus den Kommunen eine zunehmende Vermüllung. Insbesondere in den Sommermonaten war die Entsorgung von Hausmüll sowie Take-away-Verpackungen über öffentliche Müllbehälter zu beklagen. Von den befragten Kommunen gaben fünf an, seit der Wiedereröffnung mit einer deutlich verstärkten Müllbelastung konfrontiert zu sein. Vereinzelt wurde vom Einsatz von Sicherheitskräften zur Einhaltung der gültigen Beschränkungen berichtet.
Viel Bürokratie – wenig Handlungsspielraum
Zwar wurden während der Corona-Pandemie zahlreiche Gelder freigesetzt und Hilfsfonts gebildet, die Ansprechpartner rechnen jedoch nicht mit umfangreichen Konjunkturpaketen zur Förderung des öffentlichen Freiraums. Dies steht allerdings im klaren Widerspruch zu den Erkenntnissen, die während des Lockdowns gewonnen wurden: Die Wichtigkeit öffentlicher Grünflächen, Spiel-, Sport- und Begegnungsräume betonten alle befragten Gesprächspartner. Über konkrete Förderprogramme liegen knapp 50 % der kommunalen Entscheider keine konkreten Informationen vor. Bei bestehenden Fördermaßnahmen beklagen 10 % den hohen bürokratischen Aufwand in Bezug auf Antragstellung und Durchführung der Maßnahme. Ebenso werden zahlreiche Gelder nicht abgerufen, da die Maßnahmen in den vorgegebenen Zeiträumen nicht zu realisieren sind. Volle Auftragsbücher, insbesondere bei den Galabauern, haben häufig eine Verschiebung dringend benötigter Neugestaltungen oder Sanierungen von Altplätzen zur Folge. Großes Potenzial sehen die Befragten in der Senkung der Mehrwertsteuer, wobei zwei der befragten Kommunen angaben, unter stringenten Sparzwängen zu stehen.
Tourismus, Jugend, Generationen
Zahlreich sind die Themen, mit denen sich kommunale Entscheider auseinandersetzen müssen. Unterschiedliche Personengruppen haben unterschiedlichste Anforderungen an den öffentlichen Raum, wollen integriert und akzeptiert werden. Während Städte derzeit einen Rückgang von Besucherzahlen bemerken, verzeichnen ländliche Städte und Gemeinden einen vermehrten Zustrom, insbesondere in Naherholungsgebieten. Gertrud Maltz-Schwarzfischer, Oberbürgermeisterin der Stadt Regensburg, erläutert auf die Frage nach einem Anstieg der Besucherzahlen: „Urlauber kommen in Städte häufig wegen kultureller Veranstaltungen, wegen Kongressen und Messen. Da diese derzeit noch eingeschränkt stattfinden, sind ländliche Regionen während der Corona-Pandemie attraktiver. Insofern gehören wir – wie andere Städte auch – leider eher zu den „Verlierern“ des derzeitigen inländischen Tourismusbooms. Auch wenn unsere Touristenzahlen wieder zunehmen.“ Andere Gemeinden rüsten sich derzeit für Tagestouristen, reagieren mit verstärkter Investition in Freisitze, Parks, Wanderwege und Müllentsorgungssysteme. Denn auch der nimmt mit Besucherzahlen zu. Die rheinland-pfälzische Stadt Idar-Oberstein berichtet von einem weiteren Negativtrend aufgrund der Schließung von Jugendherbergen – exemplarisch für die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf eine weitere Gruppe, die den öffentlichen Raum intensiv nutzt. Während sich in der Zeit des Lockdowns mit Homeschooling, Kindergartenkindern und Distanz zu den Großeltern beschäftigt wurde, blieb der Gedanke an die 15- bis 25-Jährigen auf der Strecke. Soziale Treffpunkte, Anlaufstellen, Kontakt zu Gleichaltrigen wurde quasi über Nacht gestoppt. Ob sich Jugendliche im öffentlichen Raum aufhalten oder nicht, fällt nicht so auf oder ist nicht so relevant. Aber gerade in einer Zeit, in der junge Menschen ihr Selbstbild formen, ist der Kontakt zu Gleichaltrigen umso wichtiger – sind urbane Räume für alle Generationen ein elementarer Bestandteil für die Entwicklung unserer Gesellschaft.
[Die Interviews wurden zwischen Mai und Juli 2020 geführt]
Erstveröffentlichung in der FreeLounge 1/2020